Donnerstag, 22. Juli 2010

Revue der Unmöglichkeiten



Miriam Grimm, Daniel Baczyk, Leni Bohrmann


Schauspiel:
Theaterakademie bringt Fassbinders "Preparadise Sorry Now" auf die Felina-Bühne
Regie: Andreas Manz
Choreographie: Mario Heinemann Jaillet

Von unserem Mitarbeiter Bernd Mand
Die Lage scheint nicht günstig. Für keinen von uns. So jedenfalls kommt es einem nach dem Besuch von Rainer Werner Fassbinders "Preparadise Sorry Now" im Mannheimer Theater Felina-Areal erst einmal vor. Die Abschlussklasse der Theaterakademie hat sich hier unter der Regie von Andreas Manz der sperrigen Stückvorlage angenommen und in knapp anderthalb Stunden ein dunkel glänzendes Nummernspiel über den Bühnenboden geschoben.
Fassbinders Text entstand 1969 als polemische Reaktion auf die performative Inszenierung "Paradise Now" des amerikanischen Living Theatre, welche der grundsätzlichen Frage nachgeht, inwiefern sich Utopien in der Gesellschaft verwirklichen lassen. Und dabei ein recht hoffnungsvolles Ergebnis vermerkt.
Fassbinder sieht die Angelegenheit skeptisch und skizziert in seiner Collage einen radikalen Gegenentwurf, eine Revue der Unmöglichkeiten. Als roter Faden zieht sich die Geschichte der Kindsmörder Ian Brady und Mira Hanley durch die Textcollage, die in den sechziger Jahren in England gemeinsam sechs Kinder missbrauchten, folterten und umbrachten. Den Todeskampf ihrer Opfer dokumentierten sie mit Tonband und Fotoapparat.
Das sechsköpfige Ensemble erzählt die Geschichte der beiden im Halbdunkel der offenen Bühne. In chorischem Gleichschritt zieht es den Zuschauer dabei Stück für Stück tiefer in die Geschichte hinein. Immer wieder schieben sich alltägliche Szenen zwischen die Erzählchöre, die, wie Fassbinder es nannte, das "faschistoide Grundverhalten im Alltag" zeigen. Es geht hier viel um Prostitution, Moralvorstellungen und gewaltsame Durchsetzung der eigenen Ideologie. Das junge Ensemble springt dabei schrittsicher und mit großer Genauigkeit von einer Seelenverletzung zur nächsten.

Dichtes Spannungsspiel

Judith Achner, Daniel Baczyk, Felix Berchtold, Helene Bohrmann, Miriam Grimm und Andreas Krüger werfen sich handfest in den grausamen Reigen und schaffen ein dichtes Spannungsspiel, das sich oftmals lautstark gegen die rigide Form des Abends zu wehren scheint. Nüchtern und streng hat Andreas Manz das Bühnengeschehen konstruiert. Knappes Dunkel rhythmisiert die Szenenwechsel des assoziativen Nummernspiels, das geprägt ist von Motiven der christlichen Liturgie und archaischer Rituale.
Über allem liegt eine übermächtige dramaturgische Strenge, die den Spannungsbogen jedoch nicht ganz bis zum Ende aufrechterhalten kann. Eine bedrückende Versuchsanordnung, die in ihrer drastischen sprachlichen und darstellerischen Direktheit seltsam unzeitgemäß erscheint und gleichzeitig ein erschreckend genaues Bild vom menschlichen Streben nach Macht und Überlegenheit zeichnet, dessen Gültigkeit man kaum bestreiten kann.
Quelle: Mannheimer Morgen

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